Das berichtet die Presse

Aus der Praxis: «Holzbau setzt sich durch»

Seit 2005 gelten schweizweit Brandschutzvorschriften, die deutlich besser auf das Holz abgestimmt sind. Unter bestimmten Voraussetzungen sind seitdem Holzbauten bis sechs Geschosse und Holzfassaden sogar bis acht Geschosse möglich. Damit gelang dem nachwachsenden Baustoff in diesem Segment ein Durchbruch.

Für die Entwicklung sicherer Lösungen für den Brandschutz im mehrgeschossigen Holzbau hatte sich die Holzbranche in einem über zehn Jahre dauernden Unternehmen mit intensiver Forschung und Entwicklung zusammen mit Forschungsinstituten und Hochschulen gestellt.

Die Mehrgeschossigkeit eröffnet dem Holzbau bedeutende Marktsegmente, insbesondere bei Wohnsiedlungen und Bürobauten. Der Marktanteil der mit Holz erstellten Mehrfamilienhaus-Neubauten in der Schweiz ist innert weniger Jahre von praktisch null auf rund 5 Prozent gestiegen  das sind 300 Mehrfamilienhäuser pro Jahr.

Grundlage dieses Erfolgs sind neben der Normalisierung von Holz als Baustoff unter dem Aspekt Brandschutz eine Reihe technischer Fortschritte: von der Entwicklung moderner Holzwerkstoffe über die konsequente Anwendung der Systembauweise auf alle Gebäudeteile bis hin zur vollständig digitalisierten Produktionskette mit massgenauer Vorfertigung von Elementen in der Werkhalle.
Der unaufhaltsame Trend zum «Green Building» eröffnet dem nachwachsenden Baumaterial Holz zusätzliche Chancen. Ebenso bedeutsam ist der Trend zur umfassenden Energie- und Treibhausgas-Bilanzrechnung sowie zur Lebenszyklus-Betrachtung bei Bauwerken. Konzepte wie die 2000-Watt-Gesellschaft lassen sich, pointiert gesagt, ohne Holz gar nicht vernünftig umsetzen. Damit wird gleichsam die zweite Antriebsstufe gezündet.

Mischbauweise mit Holz auf Vormarsch
Die Stadt Zürich mit ihrem Entscheid für zukunftsfähiges Bauen und Wohnen ist dafür ein Paradebeispiel. 2008 hatten die Stimmberechtigten beschlossen, die 2000-Watt-Gesellschaft Realität werden zu lassen. Damit ist die grösste Schweizer Stadt zu einem weitherum beachteten Labor für die bauliche Umsetzung dieser Vision geworden. Wohnbaugenossenschaften wirken dabei als eigentliche Taktgeber. Sie schöpfen für grossvolumige Neubauten die heutigen Möglichkeiten des Holzbaus konsequent aus.

Die Liste der jüngsten im Holzbau realisierten Wohnbauprojekte in der Limmatstadt ist beeindruckend und bedeutet noch einmal einen Dimensionssprung vom Mehrfamilienhaus zur Grossüberbauung  zu Volumen mit bis zu 200 Wohnungen.

Beim Albisriederplatz an der Badenerstrasse 380 ist das erste 2000-Watt-taugliche Gebäude der Stadt Realität geworden: ein sechsstöckiges, im Holzbau realisiertes Wohn- und Geschäftshaus der Baugenossenschaft Zurlinden. Der Bau umfasst 54 Mietwohnungen in den oberen Stockwerken und eine Migros-Verkaufsfläche im Erdgeschoss.
Am Leonhard-Ragaz-Weg ist ebenfalls eine Neubausiedlung nach den Anforderungen der 2000-Watt-Gesellschaft mit über 160 Wohnungen entstanden: Die Baugenossenschaft Turicum tritt dort mit einem 60-Millionen-Projekt auf den Plan.

Mit den Genossenschaften Zurlinden und Turicum investiert auch die Familienheim-Genossenschaft (FGZ) erneut in die Holzbauweise. Knapp 85 Millionen Franken kostet der Ersatzneubau «Grünmatt» mit 155 Wohneinheiten. Die Siedlung ersetzt 64 eingeschossige Reiheneinfamilienhäuser von 1929, deren Bausubstanz nicht mehr zu retten ist. Die FGZ hat bereits 2003 mit einer städtisch anmutenden Holzbau-Siedlung am Hegianwandweg einen Meilenstein des neuen urbanen Holzbaus gesetzt.

Zu den gegenwärtigen Grossvorhaben mit Holz in der Limmatstadt zählt auch die bereits seit 2005 geplante Überbauung «Sihlbogen». Lange Zeit war sie durch Einsprachen blockiert. Jetzt wird gebaut: Auf dem rund 21 000 Quadratmeter grossen Areal in Zürich Leimbach realisiert die Baugenossenschaft Zurlinden eine durchmischte Siedlung mit 200 Wohnungen und Gewerbeflächen. Die Bausumme liegt bei rund 100 Millionen Franken. Der Bezug ist für den kommenden April vorgesehen.

Der Boom des grossvolumigen Holzbaus in Zürich verdankt sich teilweise auch privaten Investoren: so zum Beispiel im Fall zweier Sechsgeschosser in Holzbauweise nach Minergie-P-Eco an der Mühlebachstrasse in unmittelbarer Nähe des stark frequentierten Bahnhofs Stadelhofen. Sie bieten Wohnungen und Büros an bester urbaner Lage. In den Gebäuden hat auch die Lignum-Geschäftsstelle ihren neuen Geschäftssitz gefunden.

Grosse Projekte in der Agglomeration
Die Stadt Zürich ist nicht der alleinige Brennpunkt des modernen urbanen Bauens mit Holz in der Region. Auf dem Gelände der ehemaligen Sulzer-Giesserei im Winterthurer Quartier Neuhegi entstehen zwei fünfstöckige Holzbauten nach Minergie-P-Eco mit insgesamt 151 Wohnungen. Bauherrin ist die Genossenschaft GESEWO zusammen mit dem Verein Mehrgenerationenhaus.
Und im Kanton Aargau entsteht in Mellingen  nach heutigem Verständnis gehört die Gemeinde im Reusstal zum Einzugsgebiet des Wirtschaftsraums Zürich  eine ganze Siedlung in Holzbauweise unter dem Namen «Neugrün». Sie wird rund 200 Wohnungen mit einem ausgewogenen Mix kleinerer Wohnungen für junge und ältere Singles sowie für Paare und etwa 3000 Quadratmeter Gewerbefläche bieten. Die Bauherrschaft liegt bei der Credit Suisse Anlagestiftung Real Estate Schweiz. Fertiggestellt und bezugsbereit wird die nach dem Minergie-P-Standard konzipierte und etwa 118 Millionen Franken teure Siedlung im Sommer 2014 sein.

Christoph Starck
Neue Zürcher Zeitung 28.12.2012, Nr. 302, S. 57

Auswärtige Autoren, AA
1269263, NZZ, 28.12.2012, Words: 729, NO: JYL4W
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